Märchen - Der Druide und der Fuchs


Der Druide und der Fuchs

In einem dichten, uralten Wald, in dem das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Blätter wie eine Melodie klangen, lebte ein weiser Druide namens Eldrin. Er kannte die Sprache der Tiere, verstand die Geheimnisse der Pflanzen und wusste, wie man die Sterne las. Sein Zuhause war eine kleine Hütte inmitten einer Lichtung, umgeben von Kräutergärten und alten Eichen, deren Äste sich wie schützende Arme über ihn legten.

Eines Tages, als Eldrin durch den Wald streifte, hörte er ein leises Wimmern. Er folgte dem Geräusch und fand einen kleinen Fuchs, der mit einem verletzten Bein unter einem Brombeerbusch lag. Sein rotes Fell war zerzaust, und seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen.

„Keine Sorge, kleiner Freund“, sagte Eldrin sanft und kniete sich hin. „Ich werde dir helfen.“

Der Fuchs zuckte zurück, doch der Druide murmelte einige beruhigende Worte in der alten Sprache des Waldes, und der kleine Fuchs entspannte sich. Behutsam verband Eldrin die Wunde mit heilenden Kräutern und trug das Tier in seine Hütte. Tagelang pflegte er den Fuchs, bis dieser wieder auf die Beine kam.

Doch etwas an dem Fuchs war anders. Seine Augen schienen klüger als die eines gewöhnlichen Tieres, und manchmal hatte Eldrin das Gefühl, als verstünde der Fuchs jedes Wort, das er sagte.

Als die Tage vergingen, folgte der Fuchs Eldrin überallhin. Er beobachtete, wie der Druide Zauber wirkte, Tränke braute und mit den Geistern des Waldes sprach. Und dann, eines Nachts, geschah etwas Seltsames.

Eldrin saß am Feuer und las aus einem alten Buch der Druiden. Der Fuchs lag zusammengerollt neben ihm, als plötzlich eine Stimme erklang:

„Danke, dass du mir geholfen hast, Druide.“

Eldrin fuhr erschrocken auf. Er blickte sich um, doch außer dem Fuchs war niemand da.

„Ich bin es, Eldrin“, sagte die Stimme erneut – und diesmal war er sicher, dass sie vom Fuchs kam.

„Du kannst sprechen?“ fragte der Druide verblüfft.

Der Fuchs richtete sich auf und nickte. „Ja. Doch nur, weil du mich geheilt hast. Ich bin kein gewöhnlicher Fuchs – ich bin ein verwandelter Prinz.“

Eldrin runzelte die Stirn. „Erzähl mir deine Geschichte.“

Der Fuchs setzte sich aufrecht hin und begann zu erzählen:

„Vor vielen Jahren war ich ein junger Prinz in einem fernen Königreich. Doch meine Stiefmutter, eine mächtige Zauberin, fürchtete, dass ich ihr eines Tages den Thron streitig machen würde. Also verfluchte sie mich, verwandelte mich in einen Fuchs und verbannte mich in diesen Wald. Sie sagte, dass nur ein reines Herz den Fluch brechen könne – eines, das bereit ist, mir zu helfen, ohne etwas im Gegenzug zu verlangen.“

Eldrin nickte. „Und nun? Spürst du, dass der Fluch nachlässt?“

Der Fuchs schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Ich glaube, es braucht mehr als nur Heilung. Ich muss etwas beweisen – vielleicht Mut oder Weisheit.“

Der Druide überlegte. „Vielleicht musst du das Königreich zurückfordern? Oder deine Stiefmutter besiegen?“

Der Fuchs sah ihn nachdenklich an. „Ich weiß es nicht. Doch ich spüre, dass meine Reise mit dir noch nicht vorbei ist.“

So beschlossen Eldrin und der Fuchs, gemeinsam aufzubrechen, um die Wahrheit über den Fluch zu finden. Sie wanderten durch dichte Wälder, über hohe Berge und durch dunkle Sümpfe, immer auf der Suche nach einer Antwort.

Nach vielen Wochen erreichten sie die Ruinen eines alten Tempels, verborgen zwischen den Wurzeln uralter Bäume. Als sie eintraten, erhellte sich der Raum von selbst, und eine Stimme erklang:

„Der Fluch wird nur gebrochen, wenn du nicht nach deiner alten Gestalt verlangst, sondern nach deinem wahren Selbst suchst.“

Der Fuchs blickte Eldrin an. „Mein wahres Selbst?“

Der Druide nickte. „Vielleicht bedeutet das, dass du nicht einfach wieder ein Prinz werden musst – sondern herausfinden musst, wer du wirklich sein willst.“

Der Fuchs schwieg lange. Dann sagte er: „Mein Leben als Fuchs hat mich Demut gelehrt. Ich habe mehr gesehen, gelernt und verstanden als je zuvor als Prinz. Vielleicht war es nie mein Schicksal, zurückzukehren – vielleicht war es mein Schicksal, zu lernen.“

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, begann ein goldenes Licht ihn zu umhüllen. Sein Körper schimmerte, und dann – anstelle des Fuchses – stand ein junger Mann vor Eldrin. Doch er war nicht mehr der Prinz, der einst verflucht wurde. Er war etwas Neues: ein Druide, ein Wanderer zwischen den Welten, jemand, der sich nicht nach Macht sehnte, sondern nach Wissen.

Eldrin lächelte. „Willkommen zurück, mein Freund.“

Von diesem Tag an reisten die beiden gemeinsam weiter, nicht als Meister und Schüler, sondern als Brüder des Waldes. Und ihre Geschichte wurde zur Legende – von einem Druiden und einem Fuchs, die die wahre Magie nicht in der Verwandlung, sondern im Verstehen fanden.

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